Liebe auf den ersten Bruch
Ein Stück von Janet Allen.
“Wir haben diesmal nicht die ganz großen Brüller im Programm”, sagte Günter Thamm fast schon entschuldigend vor Beginn der bis auf den letzten Platz ausverkauften Premiere der aktuellen Inszenierung des Farger Theaters. Warum eigentlich, muss im nachhinein gefragt werden, stellten die Mitglieder des Ensembles doch eindrucksvoll unter Beweis, dass sie schauspielern können. Und eben nicht nur im Zwei-Minuten-Rhythmus von Lacher zu Lacher hangeln müssen.
Einfach ist sie nicht zu spielen, die “Liebe auf den ersten Bruch” aus der feder von Janet Allen, für das Farger Theater von Elke Klarholz und Günter Thamm in Szene gesetzt. Boulevard-Theater soll zwar leicht unterhalten, trotzdem muss es durch Glaubwürdigkeit, durch besondere Nuancen der Charaktere überzeugen. Die Story allein, so verzwickt sie auch sein mag, reicht da nicht.
Eine Menge Verwicklungen weist die Geschichte dann auch tatsächlich auf. Das Leben von Freda Neilson (gespielt von Elke Klarholz) verläuft in geordneten Bahnen, sorgsam “betüdelt” von ihrem Butler Bracken (Günter Thamm) und geschwisterlich bewacht vom spießigen Bruder Gregpry (Ulrich Kehlenbeck), der so langweilig wie die von ihm verfassten durchsichtigen Krimis ist. Gelegentliche Abwechslung bringen nur die Eskapaden ihrer Freundin Lady Kitty Kelchester (Karin Pörtner), die Gatten ebenso wie Großpackungen diverser Kosmetika verschleisst.
Einmal, nur einmal, angeregt von ihrem Kunst studierenden Sohn Nick (Kay Bienzeisler) und dessen WG-erfahrener Kommilitonin und Freundin Kim Wilde (Norma Metag), die zumindest versuchen, einige der engen Nähte des bürgerlichen Korsetts aufzutrennen, verweigert Freda die Gefolgschaft im fremdbestimmten Einerlei. Statt wie vorgesehen auf ein Wohltätigkeitskonzert zu gehen, um dekoratives Beiwerk für das populäre Bruderherz zu spielen, bleibt die frustrierte Frau zu Hause.
So kommt es, wie es kommen muss: Ein Einbrecher (Per Krutke) schlüpft durch die Balkontür und klaut mit der Beharrlichkeit eines Eichhörnchens statt schnöder Juwelen das ganze Sammelsurium an Konventionen aus dem leben der Freda Neilson. So erweist sich eine unverschlossene Balkontür als wahrer Segen.
Den Schauspielern gelang es überzeugend, ihren jeweiligen Rollen eine bestimmte Note zu geben und sie zu einem mehr als amüsanten Spannungsbogen zusammenzufügen. Kay Bienzeisler gab dem Sohn Nick den überzeugenden Tick des rebellischen Anstifters, der sich letztlich doch darüber wundert, wenn andere aus dieser Anstiftung heraus tatsächlich etwas anstellen.
Die Stetigkeit geregelter Lebensabläufe und bürgerlicher Konventionen, wie für dienende Butler nur zu typisch, verkörperte Günter Thamm bis in seine exakt ausgerichtete Wirbelsäule hinein. Elke Klarholz überzeugte als eine ihre Midlife-Crisis abstreifende Frau, besoffen von Gin und neugewonnener Freiheit, die auch verkatert Bestand hat. Norma Metag konnte Nicks Freundin Kim jene kommentierende Funktion geben, die nur die haben, die auf Menschen und nicht auf die gesellschaftliche Stellung sehen – mit sichtlichem Amüsement.
Anders die Note der von Karin Pörtner ausdrucksvoll gespielten Lady Kitty Kelchester. Wenn das Zentrum der Welt der eigene Bauchnabel ist, geht es nicht anders, als sich zur Affektiertheit in Person zu entwickeln. Gregory Winter, ebenso überzeugend von Ulrich Kehlenbeck verkörpert, ist eher die tragische Gestalt. Mit einengenden Konventionen in der Blutbahn versucht er krampfhaft, den sprichwörtlichen Schein zu wahren – eine traurige Existenz.
Und der Einbrecher: Per Krutke spielte ihn frech, schamlos und dreist – und doch mit jeder Faser als Gentleman.
Ein wenig herauszustellen bleibt außerdem die Leistung von Markus Thamm. Lange, bis zum vorletzten Akt, musste der 16jährige auf seinen ersten Einsatz in seiner ersten Rolle warten. Sicher eine Bewährungsprobe für die Nerven. Zudem war sein Part nicht einfach: Einen abgeklärten Detective-Seargent von Scotland Yard, dem nicht einmal hohe Promillewerte alkoholisierter Gin-Trinkerinnen fremd sind, überzeugend auf die Bühne zu bringen, ist nicht ohne.
Langer Beifall des begeisterten Publikums belohnte die Leistung der Mimen, die die Premiere, auch mit etwas Improvisation, überzeugend über die Bühne brachten.
Für das Bühnenbild, wie die Kostüme schon üppig, zeichnet neben den Akteuren auf und hinter der Bühne Wolfgang Klarholz verantwortlich. Die Maske lag in den Händen von Heide Orthmann, als Souffleusen fungierten Claudia Meyer und Daniela Barczak.
Besetzung | Rolle |
---|---|
Elke Klarholz | Freda Neilson |
Günter Thamm | Butler Barcken |
Ulrich Kehlenbeck | Gregpry |
Karin Pötner | Lady Kitty Kelchester |
Kay Bienzeisler | Nick |
Norma Metag | Kim Wilde |
Per Krutke | Einbrecher |
Markus Thamm | Detective-Seargent |
Regie | Elke Klarholz und Günter Thamm |
Souffleuse | Claudia Mever und Daniela Barczak |
Bühnenbild | Wolfgang Klarholz |
Maske | Heide Orthmann |